Bernhard Studlar
Ein Sommermärchen 

Es war einmal ein kleiner wütender Mann, der stand verspannt an einer Wand. Genauer, an einer Mauer. An einem heißen Tag in der österreichischen Provinz. Es könnte aber auch Wien gewesen sein, egal, der Ort spielt hier nur eine Nebenrolle. So verspannt er da stand, fiel er einer Fee auf, die gerade in der Nähe war, um Gutes zu tun.

Fee.
Was machen Sie da?

Kleiner Mann.
Lass mich in Ruh.

Fee.
Entschuldigen Sie, aber…

Kleiner Mann.
Weg. Lass mich.

Fee.
Was soll das? Was tun Sie da?

Kleiner Mann.
Kickeln.

Fee.
Was?

Kleiner Mann.
Kickeln. Und jetzt verschwind. Sonst rauscht’s!

Fee.
Aber Sie können hier doch nicht einfach so…

Kleiner Mann.
Ich kickel, wo und wann ich will.

Fee.
Geht es Ihnen nicht gut?

Kleiner Mann.
Wieso?

Fee.
Weil sie so einen roten Kopf haben.

Kleiner Mann.
Na und! Kickeln ist anstrengend. (mehr für sich) Kickel di kick.

Fee.
Unerhört.

Kleiner Mann.
Nein, das ist es nicht! Alle! Alle sollen mich ruhig hören, wenn ich kickel. Los, kickel mit!

Fee.
Nein.

Kleiner Mann.
Selbst schuld.  (mehr für sich) Kickel di kickel di kick.

Fee.
Fertig?

Kleiner Mann.
Ich entscheide, wann Schluss ist mit Kickeln.

Fee.
Klar.

Kleiner Mann.
Und jetzt verschwind. Ich kickel nicht so gern, wenn mir eine zuschaut.

Fee.
Ich hab aber noch was für dich.

Kleiner Mann.
Ah so?

Fee.
Ja. Ich kann dir einen Wunsch erfüllen.

Kleiner Mann.
Echt jetzt?

Fee.
Ja, du hast Glück, du bist auserwählt.

Kleiner Mann.
Ha, das habe ich immer schon gewusst. Immer schon.

Fee.
Links oder rechts?

Kleiner Mann.
Rechts, was sonst.

Fee.
Hier.

Kleiner Mann.
Was soll ich damit?

Fee.
Schlucken, das ist eine Zauberbohne.

Kleiner Mann.
Ha. Und dann geht mein Wunsch in Erfüllung?

Fee.
Dann geht dein größter Wunsch in Erfüllung.

Kleiner Mann.
Na dann. – Haps.

Der kleine Mann schluckte die Bohne, die Fee lächelte maliziös. Sekunden später verwandelte sich der kleine Mann in einen Baum. Er wuchs und wuchs, bis er über die Mauer reichte und sich umschauen konnte. Dort oben angekommen, weitete sich zum ersten Mal in seinem Leben sein Horizont. Dass ein Hund vorbeikam und lässig an ihm sein Bein hob, merkte der kleine Mann, der nun ein großer Baum war, gar nicht. Die Fee streichelte den braven Hund zum Abschied über den Kopf und machte sich wieder auf den Weg. Es gab noch so viel zu tun…